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Taxonomie-Bewertung beeinflusst den Wert einer Immobilie
Interview mit Ing. Thomas Tischler MSc., Vorstand der ÖRAG Österreichischen Realitäten AG.
Das Interview führt Dr. Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund gmbh.
Belazzi: Sie sind Vorstand der ÖRAG und in dieser Funktion für das Bau- und Facility Management der ÖRAG-Gruppe verantwortlich. Was war Ihr beruflicher Werdegang bis dahin?
Tischer: Nach dem Gymnasium habe ich das Kolleg in Mödling für Gebäudetechnik und Energieplanung mit Schwerpunkt Planung und Errichtung von haustechnischen Anlagen absolviert. Danach war ich zehn Jahre in einem ausführenden Betrieb tätig und lernte dort die gesamte Leistungskette von Planung, Planerstellung, Materialbestellung, ÖBA bis Mitarbeitereinteilung praktisch kennen. 2007 wechselte ich dann zur ÖRAG. Das war für mich ein spannender Schritt. Bis dahin waren für mich die ausführenden Tätigkeiten in der Gebäudeerrichtung ein Thema. Die ÖRAG hingegen begleitet Immobilien während der Nutzungsphase, damit war ich nun für den Gebäudebetrieb zuständig. Berufsbegleitend habe ich noch das Masterstudium an der Donau Universität für Facility Management absolviert. 2012 wurde ich Geschäftsführer der ÖFM, der Österreichische Facility Management Gesellschaft, der 100%igen FM-Tochter der ÖRAG. 2020 erfolgte, wie Sie eingangs gesagt haben, der Wechsel in den Vorstand der ÖRAG.
Belazzi: Die ÖRAG ist einer der größten privaten Dienstleister für die Bewirtschaftung einer Immobilie.
Tischler: Richtig. Wir sind keine Immobilienentwickler oder -besitzer. Unser Ansatz ist, die gesamte Dienstleistungspalette für die Immobilienbewirtschaftung aus einer Hand anzubieten. Daraus hat sich die Struktur der ÖRAG mit vier operativen Bereichen – Immobilienmanagement (kaufmännische HV), Maklertätigkeiten inkl. eigener Investmentabteilung für Ankauf, Verkauf und Immobilienbewertung sowie den beiden von mir geleiteten Bereichen Bau- und Technisches Facility Management entwickelt. Aktuell hat die ÖRAG-Gruppe ca. 320 Mitarbeiter inkl. Tochterfirmen mit Standorten in Wien, Salzburg, Graz und einer Tochterfirma für Property Management in Deutschland.
Belazzi: Damit haben Sie einen exzellenten Überblick über den österreichischen Immobilienmarkt. Welche Einflüsse hat der Green Deal auf die Immobilienwirtschaft in den letzten Jahren gehabt?
Tischler: Am Beginn gab es kaum einen erkennbaren Einfluss, weil damals daraus noch keine direkten Verpflichtungen abgeleitet werden konnten. Das hat sich mit EU-Taxonomie Verordnung dramatisch geändert. Diese ist der wichtigste Green Deal Treiber aus meiner Sicht, da in diesem Zusammenhang Kapitalströme klassifiziert werden.
Belazzi: Warum?
Tischler: Sie beeinflusst den Wert des Gebäudes in vielfältiger Hinsicht. Sie trifft den Errichter bei seiner Baufinanzierung, ebenso den Bestandhalter und auch die Käuferseite. Die Taxonomie ist zusätzlich auch für den Vermieter relevant. Insbesondere internationale Konzerne prüfen mittlerweile genau, wo sie sich einmieten, suchen taxonomiekonforme Gebäude. Dies findet auch Berücksichtigung in den ESG Reports der Unternehmen.
Belazzi: Wie steht es um die Taxonomie-Prüfung von Immobilienportfolios?
Tischler: Das ist eine spannende Frage. Da ist die Taxonomie-Konformität bis dato noch weniger untersucht, anders als bei Neuerrichtungen oder Verkaufsobjekten. Diese Portfolioprüfung ist aktuell für viele ein Thema. Nicht nur bei Veräußerung, sondern auch als Bestandshalter, insbesonders wenn diese ESG-pflichtig sind. Da ist dann das Ziel, dass zumindest der Großteil des Portfolios taxonomiefähig ist bzw. wird. Der Druck durch die Taxonomie ist derzeit bei Immobilienfonds natürlich höher als bei Privatstiftungen, die langfristig investieren.
Belazzi: Wird dieser Druck durch die Taxonomie zukünftig weiter steigen?
Tischler: Bei Bestandimmobilien auf alle Fälle. Diese stehen erst am Beginn. Parallel läuft die Diskussion um Energiekosten und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Und dann ist da zusätzlich das Thema der Eigenstromerzeugung durch PV am Dach. Das führt dazu, dass man sich Bestandsimmobilien wegen all der genannten Fragestellungen ansehen muss, um langfristig den Wert der Immobilie zu erhalten und einen ressourcenschonenden Betrieb zu gewährleisten.
Belazzi: Was ist der Treiber für den Ausstieg aus Gas und Öl?
Tischler: Der Ausstieg ist fast immer ein Wirtschaftlichkeitsthema. Die Reduktion der CO2-Emissionen ist per se für die meisten nicht der Hauptmotivator, sondern die Werterhaltung der Immobilie. Der Ausstieg aus Gas und Öl wurde durch den Krieg in Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise mit steigenden Energiekosten angetrieben. Davor waren bei den Vermietern die Betriebskosten kein so großes Thema. Es gab auch das gut bekannte Investor-Nutzer-Dilemma. Wenn der Vermieter etwa Energieeffizienz-Maßnahmen gesetzt hat, hatte er keinen direkten Vorteil, nur der Mieter profitierte. Es hat sich aber in den letzten Jahren gezeigt: Man muss, um langfristig am Vermarktungsmarkt wettbewerbsfähig mit seiner Immobilie zu sein, die Betriebskosten immer im Blick haben.
Belazzi: Wie reagieren die Banken auf die Taxonomie-Verordnung? Gibt es für taxonomiekonforme Gebäude bessere Konditionen?
Tischler: Meiner Meinung nach sind die Banken angehalten, die Finanzierung von Taxonomie- konformen Projekten zu forcieren. Und sie müssen dies auch in Bilanzen dokumentieren. Damit ergibt sich eine Zinsspanne zwischen taxonomiekonformen Projekten und solchen, die es nicht sind. Und der Unterschied ist aus meiner Sicht ein nicht unbeträchtlicher.
Belazzi: Ist die Klimawandelanpassung bei Immobilieneigentümern ein Thema?
Tischler: Dies ist absolut mehr geworden, denn die Schäden an Gebäuden durch Naturereignisse sind häufiger und größer geworden, daher auch das Bewusstsein. Man wird auch durch Medienberichte laufend daran erinnert. Es werden die unterschiedlichen Szenarien wie Überhitzung, Wasserschäden durch Niederschlag, Hagel, Überschwemmungen usw. geprüft. Portfolios werden mittlerweile auch hinsichtlich Klimawandelthemen strategisch bewertet.
Belazzi: Ist Energieeffizienz gleich präsent wie Raus aus Öl und Gas?
Tischler: Meiner Meinung ist Energieeffizienz der wichtige erste Schritt, das ist die Basis. Vor einigen Jahren waren oft die Datengrundlagen nicht greifbar, weil nur einzelne Hauptzähler verbaut waren. Ein Zählerkonzept ließ auch schon damals mit überschaubaren Kosten realisieren, dies wurde aber zumeist als Investition abgelehnt. Es gab keine Notwendigkeit, keinen Druck, auf Maßnahmen für ein durchgängiges Zählerkonzept zu setzen. Das hat sich dramatisch geändert: Daten, Daten, Daten heißt es heute. Diese sind die Grundlage für eine Bewertung und damit der Ausgangspunkt für Strategien und Entscheidungen. Die Verfügbarkeit von Verbrauchsdaten erlauben es, eine konkrete Analyse für den laufenden energetischen Gebäudebetrieb durchführen zu können. Daher sind wir derzeit in diesem Bereich intensiv tätig. Aber es gibt noch einen großen Aufholbedarf. Aber eines ist klar: Es hat sich in den letzten Jahren sehr viel bei den besprochenen Nachhaltigkeitsthemen zum Positiven gewandelt.
Wien, im Oktober 2023