Peter Fischer, MRICS, MCR

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„Danke Greta!“

Interview mit Peter Fischer, MRICS, MCR ist behördlich konzessionierter Immobilientreuhänder und Territory Leaders Real Estate bei PwC Österreich in Wien.

Das Interview führt Dr. Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund gmbh

Belazzi: Sie sind seit 27 Jahren im Immobiliengeschäft. Warum glauben Sie, dass ESG ein Game Changer ist?

Fischer: Vor drei Jahren haben wir uns bei PwC mit dem Thema ESG, Environment Social Governance, intensiv zu beschäftigen begonnen. Rasch war mir die Tragweite von ESG bewusst. Doch es war damals schwierig, dafür Aufmerksamkeit zu bekommen. Erst die EU-Taxonomie Verordnung hat ab März 2021 das ESG-Thema griffig gemacht.

Meine Aufgabe bei PwC ist der globale Blick auf den Immobilienmarkt, die Marktbeobachtung. Für mich ist ESG mit Digitalisierung und Cyber Security eines der drei Hauptthemen der Immobranche für die kommenden Jahre.

Belazzi: Warum hat es sechs Jahre vom Pariser Klimaschutzabkommen 2015 bis heute gedauert, dass ESG weiter oben auf der Aufmerksamkeitsliste steht?

Fischer: Dafür sehe ich zwei Gründe. Erstens: Die Immobilienbranche hat schon in der Definition selbst den Begriff der Unbeweglichkeit im Namen. Zweitens: In den letzten 30 Jahren hat sich das Geschäft immer gut entwickelt. Warum hätten wir uns anders verhalten sollen?

Nun gibt es den Game changer ESG: Von der UNO mit dem Pariser Abkommen an die EU übergeben. Diese gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen die Ziele zu erreichen sind. Die EU-Taxonomie ist ein zentrales Werkzeug dafür. Ab Jänner 2023 ist die EU-Taxonomie in den sogenannten „non-financial statements“ zu berichten. Das betrifft ab dann alle Unternehmer, wenn sie FInanzmarktteilnehmer sind und mindestens 250 Mitarbeiter haben.

Belazzi: Wer fällt unter den Begriff Finanzmarktteilnehmer?

Fischer: Schlussendlich sind wir alle Finanzmarktteilnehmer. Man ist zum Beispiel entweder ein aktiver als Bank oder ein passiver als Kreditnehmer. So müssen Banken ESG-Kriterien und Berichtspflichten erfüllen. Dort machen sie Angaben zu dem oder den Umweltziel(en), zu dem bzw. denen die dem Finanzprodukt zugrunde liegende Anlage beiträgt. Sie müssen aber auch anführen, zu welchem Anteil, wie und in welchem Umfang die dem Finanzprodukt zugrunde liegenden Anlagen in Wirtschaftstätigkeiten fließen, die als ökologisch nachhaltig eingestuft werden.

Daher wird ein künftiger Investor, dem das wichtig ist, nichts mehr ohne ESG mit seinem Geld kaufen, bauen, mieten, versichern usw. lassen. Denn er muss den Anteil an Produkten und Dienstleistungen, die nachhaltig oder nicht nachhaltig gemäß Taxonomie sind, unterscheiden. Dies führt über kurz oder lang, spätestens 2027, zu einem nachhaltigeren Finanzplatz EU. Und 2027 ist nicht weit weg, nur eine Vorstandsperiode. Damit hat die EU zu Klimaschutz, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft, Schadstoffvermeidung etc. klare Rahmenbedingungen für alle Finanzmarktteilnehmer für mehr Nachhaltigkeit in der EU gesetzt.

Belazzi: Aber derzeit ist bei der Taxonomie alles freiwillig. Es keine gesetzlichen Vorgaben, diese erfüllen zu müssen, außer den Prozentsatz der Taxonomie-Konformität auszuweisen.

Fischer: Das stimmt grundsätzlich. Aber es gibt einen großen Druck aus dem Markt selbst. Ich bin weit davon entfernt, ein Grüner zu sein. Ich komme aus der sogenannten bürgerlichen Mitte. Ich habe aber eingesehen, dass wir als Immobranche einen wesentlichen Beitrag leisten müssen.

Belazzi: PwC hat eine Studie dazu mit spannenden Ergebnissen veröffentlicht.

Fischer: Wir haben etwa das heutige Interesse von Investoren nach einer Immobilie abgefragt. Wenn diese heute ein Viertel der EU-Taxonomie Kriterien erfüllt, sind 500 Investoren interessiert. Bei nur 10%iger Erfüllung sind es noch 100. Wenn keine nachweislich erfüllt sind, gibt es weniger als 10. Denn viele dürfen gar nicht mehr in so ein Haus investieren. Und wir wissen alle: Mehr interessierte Investoren führen zu einem besseren Preis.

Belazzi: Das heißt, die viel strapazierte Aussage, dass die drei wichtigsten Kriterien einer Immobilie Lage, Lage, Lage sind, stimmt nicht mehr?

Fischer: Diese Aussage ist nur mehr teilweise richtig.

Die ESG-Ziele spielen bereits heute eine große Rolle, was vielen Marktteilnehmern nicht in vollem Umfang bewusst ist. Ausgehend von der Hypothese, dass Unternehmen, die ihr Geschäft und Handeln stärker an ESG ausrichten, wirtschaftlich besser performen, haben PwC eine breite interne Analyse von über 2.000 Unternehmen, davon 150 Immomarktteilnehmer, erstellt.

Im Rahmen dieser Analyse wurde für eine Vielzahl von Branchen global untersucht, ob es einen messbaren Zusammenhang bzw. eine Korrelation zwischen der Marktkapitalisierung eines Unternehmens, der Wachstumserwartung und der Risikobeurteilung durch die Finanzmärkte und dessen ESG-Rating gibt. Über alle Branchen hinweg zeigt sich, dass Unternehmen mit einem besseren ESG-Rating durch den Kapitalmarkt grundsätzlich höher, wachstumsorientierter und risikoärmer bewertet werden, mit bis zu +25 %, als Unternehmen mit einem im Vergleich schlechteren ESG-Rating. Für solche Unternehmen wurden bis zu 10 % Bewertungsabschläge festgestellt, immer im Vergleich zu einem durchschnittlichem ESG-Rating.

Belazzi: ESG wird in der Immobranche durch verschiedene Werkzeuge abgebildet, das zentrale ist die EU-Taxonomie.

Fischer: Genau. Diese umzusetzen ist eine ´conditio sine qua non´, also eine unbedingt notwendige Bedingung. Der vorher zitierte Auf- bzw. Abschlag für ESG-Erfüllung bzw. Nichterfüllung wird sich zukünftig sicher noch weiter erhöhen.

Belazzi: Die Klimaveränderung hat ja längst begonnen, spätestens seit dem heurigen Sommer ist dies bei allen und mitten in Europa angekommen. Wirbelstürme in Tschechien und dem Weinviertel, Megamuren in Deutschland und riesige Waldbrände von der Rax bis Griechenland, um nur einige Beispiel zu nennen. Unsere Gebäude werden zukünftig mit ganz anderen Umweltbedingungen zurechtkommen müssen.

Fischer: PwC hat das Climate Excellence Tool genau dafür entwickelt. Wir simulieren Portofolien auf Asset Basis unter Eingabe der Baudaten des Gebäudes und des Klimawandel Impacts. Wir stellen auch die Wertentwicklung in unterschiedlichen Klimaszenarien dar. Aktives Asset Management ist nun daher die Riesenchance, Geld zu verdienen. Wer nachhaltig saniert, für den wird es eine sehr gute Zeit. Für die, die es nicht machen wollen, werden die Zeiten schwierig. Fire sales sind in diesem Zusammenhang für schlechtere Immobilien aber nicht nötig. Es ist besser, jetzt zu beginnen, neu zu denken. Das ist Basis jeder industriellen Revolution. Alle, die im 19. Jahrhundert nicht mit dem Webstuhl mitgegangen sind, wurden von Markt ausgeschieden. Schallplatte, Floppy Disk, CD, Nokia Handy wurden ebenfalls von Neuem verdrängt. Entweder du machst mit oder nicht mit. ESG ist der Webstuhl des 21.Jahrhunderts.

Belazzi: Sie haben in einem Vortrag über Nachhaltigkeit und Immobilien jüngst „Danke Greta“ gesagt. Was meinen Sie damit?

Fischer: Greta Thunberg hat etwas Richtiges gemacht: Sie hat die Generation mobilisiert, die es betrifft. Dieselbe Generation, die wir einstellen bzw. einstellen werden. Diese ist aus gutem Grund lästig bei diesem Thema, es ist in ihrer DNA, weil es ihre Zukunft zentral betrifft.

Greta hat unserer Generation die Augen geöffnet. Man kann von ihr halten, was man will. Sie übertreibt. Alles gut. Sie polarisiert. Alles gut. Aber sie hat eines gemacht. Sie hat die richtige Generation in die richtige Richtung geschoben. Wir Alten müssen akzeptieren, dass die Jungen auf uns zu Recht einen großen Druck machen.

Wien, im Dezember 2021