Dipl.-Ing. Axel Preuß

© CarStorCon

Unser Ziel: Beton zu einer CO2-Senke machen

Interview mit Dipl.-Ing. Axel Preuß, Geschäftsführer und Eigentümer von CarStorCon Technologies GmbH.

Das Interview führt Dr. Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund gmbh.

Belazzi: Klimakiller Beton, Klimabeton, Biokohle. Seit einigen Jahren geistern Begriffe wie diese durch die Bauwirtschaft. Sie und Ihre Firma CarStorCon sind ein wichtiger Player in den Bemühungen um klimafreundlicheren Beton. Können Sie sich bitte als erstes kurz vorstellen?

Preuß: Ich bin Maschinenbau-Ingenieur mit einer langen Berufsgeschichte in der deutschen Bauwirtschaft. Ich war jahrelang Vertriebsleiter für ein Beton-Fertigteilwerk, dann acht Jahre selbständig in der Anwendung von Oberflächenschutz-Systeme von Beton tätig. Vor 3 Jahren habe ich das Thema Biokohle und sein großes Potenzial entdeckt.

Belazzi: Und was ist dann passiert?

Preuß: Damals habe ich mein Ingenieurbüro gegründet und die CarStorCon®Technologie entwickelt. CarStorCon steht für Carbon Storage Concrete. In engem Kontakt zum Tiroler Pyrolyse-Anlagenbauer SynCraft wurde der Betonzuschlagstoff Clim@add(R) geboren. Ausgesprochen „Climate-add“, also ein klimaschützendes Additiv für Beton, basiert dieses auf dem aus der Pyrolyse hergestellten technischen Kohlenstoff. 2022 wurde die CarStoCon®Technologies GmbH gegründet. Diese Firma vermarktet die Produkte und flankiert deren Einsatz in Beton- und Asphaltwerken.

Belazzi: Für alle Newsletter-Leser:innen, die nicht Maschinenbau studiert haben: Wie funktioniert Pyrolyse?

Preuß: Pyrolyse bezeichnet verschiedene thermo-chemische Umwandlungsprozesse, in denen organische Verbindungen - wie bei uns Holz - bei hohen Temperaturen und weitgehend unter Ausschluss von Sauerstoff gespalten werden. Durch den Sauerstoffmangel wird eine vollständige Verbrennung verhindert. Es bildet sich bei unserem Prozess aus Waldrestholz ein wasserstoffreiches Pyrolysegas, das verbrannt wird und Strom und Wärme erzeugt. Und als drittes Produkt entsteht technischer Kohlenstoff, oft auch Biokohle oder Pflanzenkohle genannt.

Belazzi: Was ist der Mehrwert dieser Holz-Pyrolyse gegenüber einer konventionellen Holzverbrennung in Biomassenanlagen?

Preuß: In der Pyrolyse wird der Kohlenstoff des Holzes weitgehend in technischen anorganischen Kohlenstoff umgewandelt und nicht als CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Die Pyrolyse ist damit eine CO2-Senke, weil der gewonnene Kohlenstoff langfristig gebunden wird. Diese langfristige Bindung ist etwa durch die Beimischung in Beton und Asphalt gegeben. Solche langfristigen CO2-Senken brauchen wir zur Reduktion der Klimakrise dringend, rasch und in großen Dimensionen. Dazu tragen wir nun bei.

Belazzi: Aber es geht nicht nur ums Wegsperren dieses Kohlenstoffs. Dieser hat auch spannende technische Eigenschaften.

Preuß: Auf alle Fälle! Dessen Funktionalität hat mich fasziniert. Die mit 300 m²/g sehr große Oberfläche, das sehr gute Wasserspeichervermögen und auch die hohe Adsorptions- d.h. Filtereigenschaften.
Als Betonzumischung führen diese Eigenschaften zu einer guten Interaktion von Wasser und Zement. Die Druckfestigkeit des Betons war trotz 15%iger Zementreduktion gleich oder sogar besser, die Wassereindringtiefe wurde reduziert, alles sehr positive Eigenschaften. Unsere Leistung als CarStorCon® ist es, diesen Kohlenstoff zu konditionieren, also zuerst zu mahlen und anschließend zusätzlich zu behandeln. Außerdem sind wir aufgrund der neuen und für viele Bauherren unbekannten Technologie projektspezifisch beratend tätig.

Belazzi: Wie groß ist derzeit der Markt für technischen Kohlenstoff vulgo Biokohle?

Preuß: Er ist seit kurzem in einer starken Wachstumsphase. 2019 wurden meines Wissens 5000 t Biokohle in Europa hergestellt, 2022 waren es schon 30.000 - 40.000 t. Viele weitere Anlagen sind in Bau und Planung.
Gigafactories sind nicht nötig. Mit einer regionalen Pyrolyseanlage mit 1 MW elektrischer Leistung stellt man etwa 1000 t technischen Kohlenstoff pro Jahr her. Damit entsteht der technische Kohlenstoff als Basis für das Clim@Add® für den Beton oder Asphalt dezentral. Dies hilft damit, auch die Stoffströme regional zu nutzen.

Belazzi: Biokohle, Pflanzenkohle, technischer Kohlenstoff. Was ist der richtige Begriff?

Preuß:  Aus meiner Sicht ist es technischer Kohlenstoff. Weil dieser Kohlenstoff technisch in der Pyrolyse-Anlage gewonnen, dann von uns weiter technisch veredelt und schlussendlich technisch eingesetzt wird. Das Material ist ein total inertes, anorganisches Material. Der Begriff Biokohle weckt bei vielen andere, nicht hilfreiche Assoziationen.

Belazzi: Die EBC-Zertifizierung hat eine Schlüsselrolle in der Qualitätssicherung wie auch beim Nachweis der CO2-Senke.

Preuß: EBC steht für European Biochar Certificate, also europäisches Pflanzenkohle Zertifikat. Ja, die EBC-Zertifizierung ist eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme: Sie gibt technische Standards vor, die der Gesetzgeber noch gar nicht definiert hat. EBC ist derzeit die Bibel für die Herstellung. Sie gibt vor, wie der Prozess aussieht, definiert strenge Schadstoffgrenzwerte und vieles mehr. Der gesamte Ablauf, von den Rohstoffen bis zur Kohlenstoffverwendung, wird von EBC begleitet. Jeder Kohlenstoff im Produktsack bekommt einen Tracker damit eindeutig ist, wo dieser verwendet wurde. Etwa 2,46 Tonnen CO2 sind abzüglich der Aufwendungen der Produktion in jeder Tonne technischen Kohlenstoffs gespeichert.

Belazzi: Haben Sie schon Gebäude mit Zuschlägen aus technischem Kohlenstoff, also ihr Clim@Add® Produkt, errichtet und was waren die Erfahrungen?

Preuß: Wir haben 2022 drei Referenzgebäude errichtet. Ein Einfamilienhaus in Dornbirn, das Bürogebäude der Energiewerke Ilg GmbH in Dornbirn, die selbst eine Pyrolyse-Anlage von SynCraft für ein Nahwärmenetz betreiben und ein kleines Technikgebäude für die ÖBB am Bahnhof Bregenz. Alle Projekte wurden erfolgreich umgesetzt, die Baufirmen waren zufrieden, der Beton war normal pumpfähig und hatte auch sonst die üblichen Eigenschaften. Insgesamt haben wir bereits 2100 m³ Kohlenstoff-haltigen Beton verbaut, der auch immer gleichzeitig zementreduziert war.

Belazzi: Welche Vorgehensweise schlagen Sie vor, wenn ein Bauherr – vielleicht auch nach Lesen dieses Interviews - Interesse hat und mehr Wissen will?

Preuß: Es ist wichtig, dass wir in der Planung eingebunden sind. Die geplanten Rezepturen, Betonsorten mit ihren Expositionsklassen werden von uns hinsichtlich Zementreduktion und Kohlenstoff-Zugabe optimiert. Weiters gibt es Abstimmungen mit den Ausführenden, dem liefernden Frischbetonwerk usw. Derzeit ist dies für viele noch neu, daher ist noch viel mehr Begleitung erforderlich als dies in ein paar Jahren bei deutlich größerer Projekterfahrung der Fall sein wird.

Belazzi: Was sind die Mehrkosten des klimafreundlichen Betons?

Preuss: Derzeit kostet dieser Beton etwa 30 % mehr, was bei den Baukosten ein Plus von 2-3 % ausmacht.

Belazzi: Ist das Ziel immer der klimapositive Beton?

Preuß: Nein, sicher nicht. Bei C20/25 Beton mit 15% weniger Klinker müssten 46 kg Kohlenstoff eingesetzt werden, um klimapositiven Beton zu bekommen. Das haben wir schon umgesetzt. Wir machen aber nicht immer klimaneutralen Beton, da es je nach Verwendung nicht in jedem Fall möglich sein wird. Allerdings können wir in jedem Fall die Klimabilanz verbessern. Beim vorher erwähnten ÖBB-Projekt war die CO2-Reduktion laut Ökobilanz 47 % mit Klinkerreduktion und Kohlenstoffzugabe. Ich denke, das ist ein herzeigbares Ergebnis.

Weitere Informationen auf carstorcon.technology

Wien, im März 2023