
Arch. Univ-Lect. DI Martin Aichholzer
„Und manchmal kommt ein Schwammerl raus“
Interview mit Arch. Univ-Lect. DI Martin Aichholzer, Mitbegründer und Geschäftsführer von MAGK Architekten.
Das Interview führt Dr. Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund gmbh.
Belazzi: Die Interviews in den bauXund-Newslettern 2025 haben als Schwerpunktthema „Nachwachsende Rohstoffe“ im Hochbau. Heute möchten wir dazu die Sicht eines sehr erfahrenden Architekten, Lehrenden und Forschers kennenlernen. Martin Aichholzer, ich bitte um eine kurze Vorstellung.
Aichholzer: Ich habe Architektur an der TU Wien studiert und anschießend dort einige Jahre als forschender Assistent am Institut für Tragwerkslehre und Ingenieurholzbau bei Univ.-Prof. Winter gearbeitet. Parallel dazu habe ich das MAGK Architekturbüro mitgegründet und führe es seit über 30 Jahren. In dieser Zeit wurden mehrere hundert Projekte mit einem Nachhaltigkeitskonzept im Hintergrund realisiert. Parallel dazu war ich auch in der Lehre tätig, insbesondere von 2017 bis 2024 als Lehrgangsleiter des Masterlehrgangs Architektur Green Building am FH Campus Wien.
Belazzi: MAGK ist auf Holzbau und Sanierungsprojekte mit Regenerativen spezialisiert. Wie kam das?
Aichholzer: Wir haben 2020 aus Gründen der Nachhaltigkeit beschlossen nur mehr solche Projekte zu planen. Wir nehmen nur mehr an Wettbewerben mit diesen Rahmenbedingungen teil. Unser Wirkkreis ist Wien, Niederösterreich, Burgenland, getreu unserem Motto „Globales Denken, lokales Agieren“.
Belazzi: Regionales Agieren und regionale Baustoffe – das passt auch zusammen.
Aichholzer: Genau. Es ist so auch leichter die regional verfügbaren Baustoffe genau zu kennen.
Belazzi: Für nachhaltiges Bauen ist nach meiner Erfahrung mehr Überzeugungskraft erforderlich.
Aichholzer: Ja, definitiv, wenn man alle Aspekte dieses Bauens berücksichtigt, von der Kreislaufwirtschaft bis zur Baustoffauswahl. Erfreulicherweise wird die Gruppe der Auftrageber*innen größer, die sich dazu bekennt. Wir stoßen immer weniger auf Lächeln, Unverständnis oder Widerstand.
Belazzi: Und in großen Organisationen dauert dieses Umdenken oft länger.
Aichholzer: Genau. Mir gefällt in diesem Zusammenhang die Analogie zu Pilzen. Das Pilzmycel wächst in der Natur im Untergrund und irgendwo kommt dann ein Schwammerl raus. Das Mycel des nachhaltigen Bauens wächst derzeit in vielen Organisationen, etwa bei Bauherrn, Planungsbüros, Produkteherstellern, Baukonzernen. Ein gutes Beispiel ist das Strabag Real Labor für regenerative Baustoffe, das jüngst in Wien eröffnet wurde. Das ist ein Signal. Bei vielen Organisationen ist viel Schwung dahinter. Ob diese Initiativen zeitnah am Markt ankommen, das werden wir sehen. Das ist meine Wahrnehmung.
Belazzi: Ein zentraler Baustein des nachhaltigen Bauens für die Verbesserung der Ökobilanz eines Objekts. Für die Verringerung des CO2-Rucksacks ist der Holzbau ganz wesentlich.
Aichholzer: Definitiv. Beim Holzbau geht es um ein Skalierungsthema. Beim Einfamilienhaus bzw. bei kleineren Gebäuden funktioniert Holzbau schon seit Jahren gut. Der Auftrageberseite weiß, was sie will und es gibt viele kleinere Firmen als Auftragnehmer, die das gelernt haben.
Das Skalieren auf groß verändert Vieles: Erstens gibt es weniger Erfahrungen über die Komplexität bei großen Bauaufgaben. Zweitens: Der Zugriff auf die erforderlichen Baustoffmengen und deren Kosten ist ein anderer. Der Holzbau hat nach meiner Erfahrung noch nicht gelernt, Konstanz abzubilden. Beton- und Stahlpreise sind seit Jahren relativ stabil, ausgenommen der Zacken am Beginn des Ukraine-Kriegs. Das heißt, mit diesen Materialien kann man gut kalkulieren, auch für drei bis vier Jahre vorausblickend.
Belazzi: Im Holzbau ist das anders?
Aichholzer: Ja, da gibt es aus meiner Sicht zwei große Themen. Erstens ist die Preisbildung beim Leimholz, Brettsperrholz etc. wesentlich volatiler. Etwa stärkere Nachfrage aus den USA führt dazu, dass Material in Österreich knapp wird und die Preise kurzfristig deutlich steigen. Damit ist Holzbau schwerer kalkulierbar, man muss höhere kalkulatorische Reserven einrechnen und ist so teurer.
Belazzi: Und was ist das zweite große Unterscheidungsmerkmal von Holzbau und Massivbau?
Aichholzer: Bei großen Volumina gibt es ganz andere Fragestellungen. Von den Holzbaubetrieben können nur wenige gut Generalunternehmer sein. Die Besteller von großen Bauvorhaben wollen aber GUs, sie wollen eine haftende Stelle. Die GU-Kompetenz liegt bei den großen Bauunternehmen, diese wissen, wie man mit allen Gewerken spricht. Der Zimmerer als Holzbauer kennt nur die unmittelbaren Gewerken wie Spengler, Fenster, Schwarzdecker. Haustechnik zumeist gar nicht, weil das normalerweise nicht notwendig ist.
Belazzi: Um zu mehr Holzbau im großvolumigen Hochbau zu kommen, wird heute oft das „Early contractor involvement“ verwendet.
Aichholzer: Richtig. So macht es etwa die UBM, die sich bereits vor einigen Jahren für den großvolumigen Holzbau entschieden hat. Dabei werden führende Holzbauindustriebetriebe direkt angesprochen und in der Planungsphase miteinbezogen. Der Bauherr verhandelt mit 2-3 Herstellern, wählt dann früh einen aus technischen und wirtschaftlichen Gründen aus und dieser bleibt dann fix im Projekt. So bleibt der Preis stabil. Der große Holzbauindustriebetrieb hat eine auch preislich gesicherte Wertschöpfungskette vom Wald über die Sägewerke bis zum industriellen Produkt, alles aus einer Hand. Das ist ganz anders, wenn die ausführende Firma von einem Hersteller oder Lieferant abhängig ist.
Belazzi: In Österreich gibt es etwa10 bis 12 große Holzbaubetriebe, die Holzhochbau können. Wo sind da die Grenzen?
Aichholzer: Wenn das Projekt zu groß ist, wird es schwierig. Wenn das Einzelprojekt etwa einen Halbjahresumsatz oder mehr ausmacht, dann ist es für diese zu groß. Denn was tun, wenn sich das Projekt um ein Jahr verschiebt oder gar nicht kommt? Das wäre existenzbedrohend.
Belazzi: Holzbau sollte man ganzheitlich denken, auch mit NAWARO Dämmstoffe weiter verbessern. Da ist der nächste Schritt der Komplexität.
Aichholzer: Genau. Das gilt für alle Beteiligten. Bestellerseitig sind das Verständnis und die Erfahrungen noch gering. Für den Planenden bzw. die Produktanbieter entsteht ein Mehraufwand für Nachweise. Alte Vorurteile wie „Wohnt dann da die Maus drinnen?“ gilt es auch zu entkräften. Dazu kommen technische Fragestellungen wie Schall- und Brandschutz.
Belazzi: Was wäre daher der eine sinnvolle Vorgangsweise?
Aichholzer: Ökologisch wesentlich wirkungsvoller ist einen Holzbau mit konventionellen Dämmstoffen als einen konventionellen Stahlbetonbau mit seinem riesigen CO2-Rucksack mit NAWARO-Dämmstoffen zu dämmen. Aber das Ziel muss ein ganzheitliches sein! Und Schafwolle und Einblasstroh als Dämmstoffe sind heute ebenso verfügbar wie etwa Produkte aus Lehm, Hanf, Strohbauplatten und Recyclingbetonbruch als Schüttung.
Belazzi: Wenn man neu oder verstärkt in das Thema Nachhaltiger Holzbau einsteigen will, wo findet man verlässliche Informationen?
Aichholzer: Wertvolle Informationen findet man z.B. im NatuRebuilt Netzwerk (www.naturebuilt.at). Dort gibt es ein Planungstool und auch Kontakte zu Anbietern von NAWARO-Baustoffen. Oder man kontaktiert ein erfahrenes Planungsbüro… (lacht)
Belazzi: Wenn Sie einen Wunsch von einer Fee bekommen, der sicher in Erfüllung geht, welcher wäre das?
Aichholzer: Das wäre Rückenwind für alle Engagierten, etwa in Form von Mindeststandards für Graue Energien in Baustoffen wie in Dänemark, an die man sich halten muss bzw. ein Belohnungssystem, wenn man diese übererfüllt.
Wien, im Juni 2025