Arch. Dipl.-Ing. Thomas Matthias Romm, Romm ZT

© Salomé Salis

„Ich arbeite permanent in Schleifen“

Interview mit Arch. Dipl.-Ing. Thomas Matthias Romm, Romm ZT.
Seit seiner Diplomarbeit beschäftigt er sich mit Recycling gerechtem Bauen, mit Rückbaubarkeit, Ressourcenschonung und Kreislaufschluss in Theorie und Praxis.

Das Interview führt Dr. Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund gmbh

Belazzi: Wie können wir es schaffen, Kreisläufe zu schließen? Darüber geredet wird ja schon lange genug.

Romm: Richtig. Die Diskussion gibt es schon ganz lang. Anfang 2000 war vorrangig der Energieverbrauch des Gebäudes das Hauptthema – Stichwort Energieausweis als erster Schritt zum Gebäudepass. Damals war schon klar, dass über die Gebäudegeometrie und Stoffdaten die Energieverbräuche, Ressourcenströme und graue Energien der Baustoffherstellung mitberechnet werden können.

Belazzi: Und was tut sich heute auf politischer Ebene?

Romm: Auf europäischer Ebene ist gerade erst im März der Circular Economy Action Plan verabschiedet worden. Auf nationaler Ebene ist Österreich mit der Recycling Baustoffverordnung sogar weit vorne. Aber an der Wertschöpfung mit Sekundärrohstoffen harpert es. Eine Folge ist, dass heute der Absatz von Recyclingbaustoffen in ganz Europa schleppend ist. Ganz wichtig wäre eine sinnvolle Vernetzung der Bauprojekte in der Stadt, um Angebot und Nachfrage besser zu kennen.

Belazzi: Gibt es Länder, wo die Kreisläufe besser als in Österreich geschlossen werden und was machen diese besser?

Romm: In der Schweiz ist im öffentlichen Bau ein bestimmter Anteil an Sekundärrohstoffen ein Muss. Dies hängt auch mit der Ressourcenknappheit und damit Importabhängigkeit der Schweiz zusammen. Und Deponieraum ist auch limitiert. Die Stadt Zürich hat deshalb eine Ressourcenstrategie für sich erstellt, die Anteil an Recyclingbaustoffen wie Recyclingbeton für alle städtischen Bauvorhaben vorschreibt. Und das Schweizer Gebäudezertifikat Minergie Eco verlangt mindestens 50 % Recyclingbeton als Muss-Vorgaben bei maximalen Transportwegen von 25 km.

Belazzi: Im Gegensatz zur Schweiz ist Österreich geologisch reich beschenkt. Österreich hat kein Ressourcenproblem. Warum sollte es trotzdem ein Thema sein?

Romm: Im städtischen Umland gibt es einen Wettbewerb zwischen Kiesgruben, Steinbrüchen und Deponien einerseits und Nutzung durch Landwirtschaft, Windparks und Tourismus andererseits. Jedenfalls werden die Transportwege immer weiter, anstatt die Rohstoffe zu nutzen, die wir auf der Baustelle im Erdbau oder beim Abbruch sowieso in die Hand nehmen müssen. Das sollte Grund genug sein, aktiv zu sein.

Belazzi: Was ist ein gut dokumentiertes Positivbeispiel aus der letzten Zeit?

Romm: In der Seestadt-Aspern haben wir 1 Mio. Tonnen Material auf der Baustelle verwertet und den Aushubkies zu Beton vor Ort verarbeitet. In Aspern gab es 3 – 15 % Minderkosten durch die lokale Betonerzeugung. Über 100.000 Lkw Fahrten mussten nicht im Straßennetz untergebracht werden, die selbst bei nur 25 km Distanz 3 Mio. Euro Transportkosten verursachen.

Belazzi: Wenn dies wirtschaftlich tragfähig ist, warum gibt es nicht viele gleichartige Projekte in Österreich?

Romm: Es gilt: Wirtschaftlich ist es nur dann, wenn die Unternehmen dazu bereit sind. Und dafür muss die Dimension des Bauvolumens bzw. des Umsatzes ausreichend groß sein.

Belazzi: Viele klagen über die Überregulierung des Bauwesens. Führt die Umsetzung des Kreislaufthemas nicht zu noch mehr Regulierung?

Romm: Das stimmt, heute braucht man einen Berg von Gutachten. Das beginnt bei Boden-Schadstoffen, Gebäude-Schadstoffen im Altbestand, geotechnische Analysen, Versickerung usw. Es fehlt aber durch die Verknüpfung dieser Informationen auch Wertschöpfung zu generieren, indem man diese Erkenntnisse nutzt. Daher ist es wichtig, nicht nur die gesetzlichen Verpflichtungen abzuarbeiten. Es geht vielmehr darum die Potenziale zu nutzen!

Belazzi: Du hast gemeinsam mit Partnern wie Caritas, Pulswerk und Dr. Ronald Mischek ZT die Initiative „BauKarussell“ gegründet. Warum?

Romm: BauKarussell arbeitet seit 2016 im verwertungsorientierten Rückbau mit besonderem Fokus auf Wiederverwendung (=Re-Use) für großvolumige Objekte. Im Abbruch vorbereitenden Rückbau werden Re-Use-fähige Bauteile ausgebaut und für die Wiederverwendung zur Verfügung gestellt. Parallel dazu werden recyclingfähige Baustoffe manuell getrennt und der stofflichen Verwertung zugeführt. Diese Arbeiten werden von Arbeitskräften aus sozialwirtschaftlichen Unternehmen durchgeführt, die damit Qualifizierung und bessere Chancen am Arbeitsmarkt erhalten. Aber für das Erreichen einer relevanten Größe werden wir einen langen Atem und weiter engagierte Bauherren benötigen. Doch die bisher erfolgreich umgesetzten Beispiele zeigen, dass wir auf einem wichtigen und richtigen Weg sind und der geht in geschlossenen Schleifen.

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Wien, Juni 2019