Dipl.-Ing.in Carlo Lo

© Lisi Specht

„Das zentrale Kriterium für einen guten Freiraum ist der Bauherr.“

Interview mit Dipl.-Ing.in Carla Lo. Geboren in Heidelberg studierte sie Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur in Wien. Als Ingenieurkonsulentin für Landschaftsplanung und Landschaftspflege führt sie seit 13 Jahren ihr eigenes Büro „Carla Lo Landschaftsarchitektur“ in Wien.

Das Interview führt Dr. Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund gmbh

Belazzi: Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Lo: Es hat sich sehr viel verändert. Vor 10 Jahren waren wir überwiegend im geförderten Wohnbau in Wien tätig, weil es vom Wohnfonds so gefordert wurde. Viel weniger üblich war die Einbeziehung von Landschaftsarchitekten im freifinanzierten Wohnbau oder bei Gewerbebauten. Das hat sich in den letzten Jahren geändert.

Belazzi: Warum ist das so?

Lo: Die Freiraumangebote sind ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Wohnungssuche geworden. Die Klimawandel-Auswirkung, das Insektensterben, der Rückgang der Artenvielfalt berührt viel mehr Menschen, jeder will etwas beitragen. Und: Arbeitgeber wollen sich neu positionieren. Es dient damit auch der Identifikation gegenüber MitarbeiterInnen, man will für Nachhaltigkeit stehen.

Belazzi: Was sind die Kernaufgaben einer Landschaftsarchitektin?

Lo: Das wichtigste ist, die Rahmenbedingungen für eine gute Landschaftsarchitektur zu schaffen. Mit der Architektur über Erdkerne an den richtigen Orten und nicht irgendwo am Grundstücksrand zu diskutieren. Mit der Statik über Pflanztröge an Fassaden sprechen. Mit der Feuerwehr über Zufahrten und die Erhaltung von Bestandsbäumen reden. Gute Rahmenbedingungen kommen nicht von allein, das ist viel Arbeit.

Belazzi: Was ist das zentrale Kriterium für einen gelungenen Freiraum?

Lo: Ganz klar: Ein guter Bauherr, der deutlich dahintersteht und sagt „Ein qualitätsvoll umgesetzter Freiraum ist uns wichtig.“

Belazzi: Was ist noch wichtig?

Lo: Ein zentraler Punkt ist, dass das Budget ausreichend ist und der Landschaftsarchitektur direkt zugeordnet ist. Unsere Leistung kommt erst gegen Ende des Bauvorhabens, dann wird unser Budget oft angegriffen. Die Lösung: Eine eigene Ausschreibung, ein zurückgestelltes Budget, damit man diese Qualität nicht verliert. Gute Außenanlagen benötigen ein vernünftiges Budget. Die Anforderungen werden größer, das Budget muss daher angepasst sein. Mein früherer Chef sagte, das Freiraumbudget bewegt sich im Skontobereich der Bausumme. Und das stimmt noch immer.

Belazzi: Aber es geht um mehr als den Anteil am Baubudget.

Lo: Ja. Es ist wichtig, nicht nur kurzfristig an die Errichtung zu denken, sondern das Pflegekonzept und auch das Erhaltungsbudget mitzudenken. Denn nur dann hat der Freiraum auch Bestand. Es scheitert auch oft an der intelligenten Freiflächenpflege. Ungeschulte Pflege ist eine Gefahr. Es weiß oft nicht, wie und wann etwas geschnitten, gegossen oder gepflegt werden soll. Ein Pflegekonzept ersetzt keine Lehre von 3 Jahren.

Belazzi: Was ist der wichtigste Parameter, der einen Freiraum auszeichnet?

Lo:  Die angepasste Pflanzenauswahl. Angepasst natürlich auch auf die unterschiedlichen Freiräume, auf Sonne und Schatten, Niederschläge, Bodenaufbauhöhen und auch auf den später erforderlichen Pflegeaufwand. Und angepasst auf unterschiedliche Nutzerbedürfnisse von Älteren, Familien, Kindern und Jugendlichen. Wichtig ist die Multifunktionalität. Viele unterschiedliche Aktivitäten können und sollen sich überlagern.

Belazzi: Klimawandel und Klimawandelanpassung: Wie gehen Sie mit den Themen um?

Lo: Das Thema ist jetzt so brennend, weil wir es viele, viele Jahren verschlafen haben. Wir haben immer nur auf den Verkehr geachtet, Flächen versiegelt und keine Bäume gepflanzt. Die Ringstraße zeigt, wie toll es ist, Bäume zu haben. Jeder Parkplatz war wichtiger. Nun müssen wir warten bis die neu gepflanzten Bäume groß sind.

In der Landschaftsarchitektur arbeiten wir sehr viel mit Lowtech Maßnahmen: Größere Bäume pflanzen, Nutzung des Klimabaumsortiments, d.h. gegen Hitze- und Trockenheit widerstandsfähigere Bäume, oft mediterrane Baumauswahl, schlauere Baumscheiben und der Einsatz des Schwammstadtprinzip. Letzteres sichert Stadtbäumen das Überleben im Straßenraum. Es ist ein innovatives System, das die gesunde Entwicklung großkroniger Bäume in befestigten Flächen ermöglicht und gleichzeitig unterirdischen Rückhalteraum für die Niederschlagswässer schafft.

Belazzi: Wohnungen werden kleiner, daher gehen Leute auch gerne und öfters raus. Das hat sich auch in Covid Lockdown Zeiten gezeigt.

Lo: Genau. Es geht im Freiraum um Qualität, nicht nur um Quantität. Orte zu schaffen, die Atmosphäre haben. Freiflächen haben auch eine hohe soziale Qualität. Das Nebeneinander von sozialen Gruppen zulassen. Parks sind nicht nur für Mütter mit Kindern oder Pensionisten da. Jugendliche treffen sich etwa abends im Park. Tisch/Bank-Kombinationen für ein Abendessen im Freien. Das gilt auch für Parkanlagen. Freunde zu einem Picknick im Park treffen. Parkanlagen vernetzen auch.

Belazzi: Was ist Ihr Zugang zu Urban Gardening, zur städtischen Lebensmittelproduktion?

Lo: Etwas differenziert. Grundsätzlich ist Urban Gardening super. Es hat eine große soziale Komponente. Leute lernen sich niederschwellig kennen. Es ist auch generations- und kulturübergreifend. Im privaten Umfeld ist es gut. Auch Dächer sind so super genutzt.

Ich habe ein Problem mit Urban Gardening im öffentlichen Raum oder in Parkanlagen. Es ist dort oftmals ausschließend. Es schließt Kinder und Jugendliche aus und auch alle jene, die keine Lust auf das „Gärtnern“ haben. Daher muss man im öffentlichen Raum vorsichtig sein, er gehört der Allgemeinheit. Urban Gardening im Freiraum ist eine Privatisierung. Urban Gardening in Parkanlagen führt zum Bekämpfen von anderen. Wer hat den Zucchini geklaut? Wer hat die Erdbeere genascht? Rasch kommt dann der Zaun. Der Zaun muss dann höher werden. Die Zauntüre ist zuzusperren. Konflikte wachsen. Urban Gardening ist kein Alleinmittel für eine glückliche Stadt.

Belazzi: Worauf soll in der Planung, mit Blick in die Zukunft, mehr geachtet werden?

Lo: Man muss viel mehr mit Regenwasser arbeiten. Wir machen derzeit dazu eine Studie für die MA45 – Wiener Gewässer. Regenwasser ist die größte Chance. Man kann grundsätzlich mit Grundwasser, Wienerwaldwasser, Leitungswasser und Regenwasser arbeiten. Grundwasser ist unsere Reserve, Wienerwaldwasser wird am Stadtrand bereits im Kanal gemischt. Trinkwasser ist kostbar. Bleibt Regenwasser. Damit müssen wir arbeiten. Der skandinavische Raum ist da ein Vorbild. Nutzung für Bewässerung, Tiefbeete im öffentlichen Raum und vieles mehr. Derzeit stehen uns oft Normen und Richtlinien im Weg. Diese müssen wir ändern. Weil da ist unser größter Spielraum. Regenwasser ist geschenktes Wasser. Wir müssen es neu denken!

Wien, im Juni 2021