
© Lehner Wool / Felicitas, Miriam und Alexander Lehner

Verarbeitung Wolle vom Ballen zum Dämmstoff © Lehner Wool

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„100 % Natur war uns immer wichtig“
Interview mit Alexander und Miriam Lehner von ISOLENA, einer Marke der Lehner Wool, dem führenden österreichischen Produzenten von Schafwoll-Dämmstoffen.
Das Interview führt Dr. Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund gmbh.
Belazzi: Dass ich zwei Personen zum Newsletter-Interview treffe, ist selten, aber in diesem Fall leicht zu erklären. Als Familienbetrieb stellt ihr als Vater und Tochter die zwei aktiven Generationen dar.
Alexander Lehner: Richtig. Wir sind ein Familienschiff, dass seit 55 Jahren durch alle Zeiten steuert mit aktuell etwa 50 Mitarbeiterenden. 1969 ist das Unternehmen von meinen Eltern als Schafwoll-Teppichweberei gegründet worden, seit 1992 führen es meine Frau Felicitas und ich. Seit vier Jahren ist auch unsere Tochter und ein Schwiegersohn mit an Bord.
Belazzi: Und seit wann verarbeitet ihr Schafwolle auch zu Dämmstoffprodukten?
Miriam Lehner: Seit 1992 erzeugen wir Dämmstoffe unter der Marke ISOLENA und seit 2010 Akustikfilze unter der Marke Silentum. Wir verarbeiten derzeit jährlich ca. 600 Tonnen Schafwolle in Waizenkirchen im oberösterreichischen Hausruckviertel, Tendenz steigend.
Belazzi: Wofür können Schafwolle-Dämmstoffe eingesetzt werden?
Alexander Lehner: Wir haben über die Jahre verschiedene Technologien entwickelt oder weiterentwickelt, dass wir einbaupraktische und setzungssichere Dämmstoffe bis 30 cm anbieten können, mit unterschiedlichen Dichten von 14 bis 100 kg/m³.
In Fußböden zwischen Bodenhölzern reicht eine geringe Dichte. Umso mehr der Dämmstoff selbst stehen muss, umso höher muss seine Dichte sein, das geht bis 30 kg/m³ für Wärmedämmstoffe. Für Schalldämm- und Entkoppelungsprodukte, für Trittschalldämmung und Schallfilz geht es bis 100 kg/m³. Und dann haben wir auch noch ein Fugenband für den Einbau von Fenster und Türen anstelle von PU-Schaum.
Belazzi: Für mich ist die Biozidfreiheit der Produkte das Alleinstellungsmerkmal von ISOLENA. Das gefällt mir als Chemiker und Bauökologe ganz besonders.
Alexander Lehner: Wir haben jahrelang an unserer biozidfreien Technologie „Ionic Protect“ gearbeitet. Schafwolle hat alle Eigenschaften, ein sehr guter Dämmstoff zu sein, mit dem einen Problem, dass es Insekten gibt, die an Schafwolle als Nahrung interessiert sind. Die Industrie hat daher in den letzten Jahrzehnten Biozide entwickelt, die dieses Thema chemisch lösen, was für mich nicht zufriedenstellend war.
Belazzi: Daher war der Leidensdruck hoch, eine Lösung zu finden…
Alexander Lehner: Richtig. Anfang der 2000er Jahre habe ich die Plasmatechnologie entdeckt. Viele Fragen mussten abgeklärt werden. Erstens, ob diese physikalische, also chemiefreie Technologie Wirkung zeigt. Zweitens musste sichergestellt werden, dass sich nichts an der Wollstruktur und den Brandeigenschaften verändert. Und drittens, dass es sicher und langfristig gegen Insektenbefall wirkt. Nach vielen Versuchen haben wir den Effekt registriert und anschließend noch weiter verstärken können. 2015 kam die biozidfreie Dämmwolle auf den Markt. Das ist bis heute unser Alleinstellungsmerkmal. Darauf sind wir stolz.
Belazzi: Wie ist das Wirkprinzip des biozidfreien Wollschutzes?
Alexander Lehner: Insekten wie Motten oder Wollläuse ernähren sich vom Keratin, dem Hauptbestandteil der Wollhaare. Durch die „Ionic Protect“ Behandlung wird dieses Keratin so verändert, dass es nicht mehr als Insektennahrung dienen kann. Und damit kann es keinen Insektenbefall mehr geben. Wichtig: „Biozidfrei“ ohne Wollschutz ist jedoch gefährlich, da riskiert man eine Motteninvasion im gesamten Gebäude nach ein paar Jahren.
Miriam Lehner: Uns war „100% Natur“ immer wichtig. Nicht nur keine Chlorpestizide wie Permethrin als Wollschutz zu verwenden, sondern auch keine Klebstoffe, keine Stützgitter aus Kunststoff. Das Gebot war und ist: Den Naturstoff Schafwolle zu erhalten und seine einzigartigen Fähigkeiten zu nutzen.
Alexander Lehner: Dieses „100% Natur“ ist zwar sehr anspruchsvoll, bringt aber auch große Vorteile. Unsere Schafwoll-Dämmung ist ein offenporiges Produkt, weil es nicht verklebt ist. Daher kann es Luftschadstoffe wie Formaldehyd neutralisieren. Wenn die Fasern verklebt wären, würde dies nicht funktionieren. Dasselbe gilt für die Brandeigenschaften: Würden wir Klebefasern hinzufügen, würde auch der Brandwiderstand verschlechtert. Dann müssten wir wieder Flammschutzmittel hinzufügen.
Belazzi: Als weiterer Vorteil von „100 % Natur“ fällt mir die Kreislauffähigkeit ein.
Miriam Lehner: Genau. Unsere Schafwolldämmung kann man ausbauen und woanders sofort wieder einsetzen oder am Ende der Nutzungsphase kompostieren. Der Verschnitt der Produktion geht natürlich wieder in diese zurück. An einem Rücklaufkonzept für Baustellenabfälle arbeiten wir derzeit. Da gibt’s vorwiegend logistische Themen, so wie bei allen Dämmstoffen wegen des hohen Volumens.
Belazzi: ISOLENA-Produkte zeichnen sich durch viele unabhängige Nachweisführungen aus. Die Produkte sind seit Jahren natureplus zertifiziert. Es gibt seit 2024 eine Umweltproduktdeklaration, ein EPD. Warum?
Alexander Lehner: Als Hersteller von Bauprodukten aus einem nachwachsenden Rohstoff, einem Naturprodukt, wollen wir unsere technischen und ökologischen Produktqualitäten unabhängig belegen. Das ist für den Vertrieb und zur Überwindung der Skepsis gegenüber Naturstoffen bei manchen Auftraggebern sehr wichtig. Wir haben verschiedenste Prüfungen, von biozidfrei über Emissionsmessungen bis zu bauphysikalischen wie zur Leitfähigkeit, Schalladsorption und Brandschutz. Alle Ergebnisse stehen in unseren Datenblättern, auf unserer Homepage. Aber auch in Datenbanken wie baubook in Österreich, DGNB-Navigator und Sentinel in Deutschland. Und wir erfüllen nachweislich auch die Kriterien von Zertifizierungssystemen wie klimaaktiv, ÖGNB, DGNB, LEED, BREEAM und Taxonomie.
Miriam Lehner: Wir freuen uns, dass das 2024 veröffentlichte EPD nachweist, dass unsere Dämmstoffe ein CO2 bindender Baustoff sind. Beim 2023 fertiggestellten Wohnhochhaus Taborama der Strabag Real Estate in Wien wurden 29.000 m² unseres Dämmstoffs verbaut. Damit hat sich die Ökobilanz dieses Gebäudes im Vergleich zu einer Ausführung mit Mineralwolle um 116 t CO2 verbessert. Ein tolles Ergebnis!
Die Schafwolle, die wir verwenden, ist ein Beiprodukt. Daher auch die gute Ökobilanz. Sie kommt von Schafen, die zumeist zur Milchproduktion oder zur Landschaftspflege gehalten werden. Jedes Schaf muss mindestens einmal pro Jahr geschoren werden, da fällt dann unser Rohstoff an.
Belazzi: Ihr seid ein oberösterreichischer Betrieb, der in vielen Regionen Europas erfolgreich ist. Wie kommt das?
Miriam Lehner: Wir sind seit vielen Jahren auf Fachmessen und Netzwerkveranstaltungen, daher entstanden Kontakte in ganz Europa. Wir haben uns mit regionalen Vertriebspartnern an die Bedürfnisse dieser Länder angepasst. Unsere größten Absatzmärkte sind Irland & UK, Holland & Belgien, Deutschland, Österreich und Schweiz. Unsere Produkte werden etwa in Hochbau-Projekten wie Bildungseinrichtungen, Wohnungen, Bürogebäuden, Hotels oder Einfamilienhäusern und verschiedensten anderen Projekten oder Sanierungen verwendet.
Belazzi: Wenn ihr einen Wunsch von einer Fee bekommt, der sicher in Erfüllung geht, welcher wäre das?
Alexander Lehner: Dass Schafwolle als Dämmstoff den Stellenwert bekommt, den sie sich verdient.
Miriam Lehner: Dass sich die Zusammenarbeit von unterschiedlichen NAWARO-Herstellern verbessert, damit man gemeinsam eine Veränderung hin zu einer zirkulären Baubranche bewirken kann. Damit wären wir dem Ziel kreislauffähiger Systeme, etwa der Lehmbauwand mit Schafwoll-Dämmung, einen wichtigen Schritt näher.
Wien, im März 2025